Primetime vom 27.06.1999

Wer weiss denn schon, wo Lemberg liegt?

Alexej Leporc über eine tausendjährige Metropole
Lemberg, gegrünget 1240, war bis 1918 Hauptstadt des österreichischen Galizien, das zur K.+K. Monarchie gehörte. Von hier kamen die Aufsteiger nach Wien, die Emigranten bis New York und Hollywood. Bis 1939 war Lemberg Polnisch. 1941 wurde es von den deutschen Armeen besetzt. 1945 wurde es russisch. Bis zu seinem Tod kämpfte Roosevelt, nach der Konferenz von Jalta, um einen Status als polnische freie Stadt für Lemberg. Seit 1991 heißt Lemberg Lwiw und ist ukrainisch. 1943 zählte Lemberg 283.700 Einwohner. Von diesen Menschen findet sich heute keine Spur. Die 12% Polen, die 14% jüdischer Bevölkerung, die 12% Deutsche sind ebenso verschwunden, wie ein Großteil russischer Zuwanderer. Die Bevölkerung ist ausgewechselt. Dagegen sind, wie im Märchen Dornröschen, Gebäude, Wasserhähne, Inneneinrichtungen so stehen geblieben wie unter der Monarchie. Von St. Petersburg nach Lemberg mit dem Zug sind es 34 Stunden, von Wien über Budapest 12-16 Stunden Eisenbahnfahrt. Früher gelangte man in kürzerer Zeit von Lemberg nach London oder Paris. Eine Metropole und Brutstätte von Genies, die voll zur Provinz wurde. "Wer weiß denn schon, wo Lemberg liegt?" Der russische Historiker Alexej Leporc berichtet.