10 vor 11 vom 21.02.1994

Glück im Schlachthaus der Liebe

Roman der "kaltherzigen Güte"
Ein Adeliger, Herr Waller von Wallerstein, ist tödlich erkrankt. Er gibt ein Inserat auf zwecks Adoption eines Kindes, das den alten Adelsstamm fortsetzten soll. Ein Kind meldet sich, ein junger Russe. Es bringt jedoch seinen ganzen Anhang mit: die russische Mutter, eine Klavierspielerin, später auch den Vater. Der Adelige, der eigentlich nur ein Kind okkupieren wollte, wird von einer ganzen Familie besetzt. Inmitten von Gezerre und Missverständnissen entsteht ein glücklicher Augenblick. Dies ist die äußere Handlung des neuen Romans der amerikanischen Autorin Irene Dische, die in Berlin lebt. Der Roman hat großes Aufsehen erregt. In seiner formalen Struktur folgt er den "33 Veränderungen über ein Thema von Diabelli", die Beethoven geschrieben hat. Es geht, sagt Irene Dische, um einen Roman der "kaltherzigen Güte". Die Hitzigkeit der Gefühle bietet im Familienkrieg zu wenig Chancen für Güte: Bericht über einen glücklichen Ausnahmefall im Schlachthaus der Liebe.