News & Stories vom 13.05.1996

"Eines jeden Menschen Geschichte steht in seinem Gesichte"

Claudia Schmölder über Vorurteil und Menschenkenntnis in der Physiognomik
Gesichter lesen gehört seit der Antike zur Orientierung im Alltag und war die große Kunst der Seher im Orient. Mit dem Wiedererkennen Gottes im Menschenantlitz durch Lavater im 18. Jahrhundert und dem Aufkommen des Polizeifotos im 19. Jahrhundert, wird versucht, die Physiognomik zur Wissenschaft zu machen. Claudia Schmölders hat in ihrem spannenden Buch "Das Vorurteil im Leibe" die außerordentlichen Chancen für Irrtümer, aber auch das hohe Maß an Menschenkenntnis beschrieben, das mit Gesicht lesen verbunden ist. Eigentlich, sagt sie, ist das Gesicht das einzige Nackte, was vom menschlichen Körper übrig ist, aber gerade dieses nackte Gesicht trägt auf verblüffende Weise alle Masken der Kultur. Es sagt die Wahrheit und es lügt wie gedruckt.