10 vor 11 vom 28.04.1997

Massaker zum Versöhnungfest

Patrice Chéreau über das Mißlingen der Toleranz und die Darstellung von Hoffnung
In Richard Wagners GÖTTERDÄMMRUNG geht eine Doppelhochzeit, die eigentlich Brüderschaft und Versöhnung besiegeln soll, dem Mord und der Katastrophe voraus. Ganz ähnlich findet sechs Tage vor der BARTHOLOMÄUSNACHT in Paris der Versuch der Versöhnung zwischen der protestantischen und katholischen Bürgerrechtspartei in Form einer Doppelhochzeit statt. Auf den Versöhnungsversuch folgte ein schreckliches Massaker, dessen Bild über Jahrhunderte nachwirkt. Patrice Chéreau hat in seinem Film LA REINE MARGOT diesen Zusammenhang von Versöhnungsfeier und Massaker in eindrucksstarke Bilder gebannt. Seine Interpretation von Richard Wagners RING DES NIBELUNGEN in Bayreuth (1976) begründete seinen Ruhm. Als Höhepunkt dieser Inszenierung gilt der Moment, in dem (direkt nach der Katastrophe) der Chor den Blick auf das Publikum wendet und Publikum und Bühnenpersonal einander wie Spiegel gegenüberstehen. Die Geschichten, von denen Chéreau erzählt, kreisen um das Misslingen der Toleranz und dennoch notwendige Darstellung von Hoffnung. Ein spannendes und informatives Magazin.